Plexuskinder e.V. : Informationen, Ratschläge, Unterstützung für Menschen mit einer Plexusparese
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Betroffene berichten – Martin

Martin

Plexus Brachialis Verletzungen sind mit so vielen Dingen verbunden, die man meist erst im laufe der Zeit versteht und realisiert. Angefangen bei Schadensregulierungen, sozialen Problemen, starken Einschränkungen im Alltag und psychologischen Problemen die sich durch neurophatische Schmerzen noch verstärken. Jeder Mensch geht auch anders mit seiner Behinderung um. Wichtig für den Betroffenen ist es, sich mit seiner Krankheit oder Verletzung auseinanderzusetzen und intensiv an sich zu arbeiten. Nach heutigen Standpunkten sind Nervenrekonstruktionen so viel versprechend, dass sie unbedingt durchgeführt werden sollten. Es ist ein sehr weiter Weg die gelähmte Muskulatur wieder so weit zu trainieren, dass eine Bewegung aktiv gegen die Schwerkraft überhaupt möglich ist. Hier spricht man von einem Muskelgrad-/kraft M3.

M3 ist ein wahnsinniger Fortschritt, reicht aber nach eigenen Erfahrungen nicht aus, um Bewegungen im Alltag leicht zu bewältigen. Man kann kein Glas richtig halten und auch einfachste Bewegungen sind sehr anstrengend. Ziel sollte es sein bei Patienten ein Bewegungsschema im Alltag zu erreichen, welchen den Muskel reizt ohne das er atrophiert. Der Arm sollt gezielt in den Alltag integriert werden. Dazu gehören anziehen, Zähne putzen, Knöpfe zumachen (auch wenn das Missempfinden in der Hand unerträglich ist) auch beim Fahrrad fahren sollte man den Arm nutzen, um kleinste aktive Bewegungen zu fördern. Sind Alltagsbewegungen gut möglich ist es sinnvoll die Muskelkraft mit täglichem Training zu steigern. Auch die Umlernprozesse durch die Neurotisationen (Nerventransfer) sind nicht einfach, da das Gehirn lernt die Bewegung völlig neu anzusteuern. Anfangs ist Physiotherapie ganz sinnvoll und es empfiehlt  sich 3 mal wöchentlich. Während der Behandlung sollte gezielt auf die Umlernprozesse und das ansteuern über andere Muskeln trainiert werden jedoch ist Physiotherapie nicht ausreichend um wirkliche Fortschritte zu erreichen.

Ich habe einen C5 C6 Wurzelausriss und habe auch eine Nervenrekonstruktion in Aachen bei Dr. Bahm erfahren. Ulnaris Transfer für den Bizeps, Medianus Transfer für den Brachialis zur Reaktivierung der Ellenbogenbeuger. Die OP ist jetzt 18 Monate her und ich habe eine Beugekraft,dass ich 10KG 10 mal beugen kann. Ohne Ehrgeiz und Motivation ist dies allerdings nicht möglich, möchte ich betonen. Ich trainiere immer noch täglich 2 Stunden mit dem betroffenen Arm. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass sich der Bizeps relativ gut erholt, weil die Bewegung nicht so komplex wie bei der Schulter funktioniert. Nach meinen Erfahrungen dauert es meist doppelt so lang wie beim Bizeps bis die Schulter sich reaktiviert. Anfangs ist es sehr schwer die athrophierte Rotatorenmanschette zu beüben und meist mit starken Schmerzen verbunden. Ein Infraspinatus lässt sich schlecht ohne Deltoideus trainieren und ein Bizeps schlecht ohne Schulterstabilität. Zur Rekonstruktion bei Wurzelverletzungen ist es daher sehr wichtig den Supra- und Infraspinatus zu reinnervieren (Suprascapularis Nerv) um das Schulterblatt zu stabilisieren. Dies erreicht man durch da transferieren des distalen (unteren) Accesurius Nervs, (welcher eigentlich den Trapezius im Bereich des Schulterblattes versorgt) auf den Suprascapularis zu transferieren. Er stabilisiert das Schulterblatt wird aber nicht dringend benötigt. Seine Nervenfasern bestehen nur aus motorischen Faszikelgruppen und er ist daher ein guter Spender. Durch diesen Transfer lässt sich in vielen Fällen eine gute Außenrotation zurück holen. Für die Armabduktion kann man den Delta über einen Ast vom langen oder mittleren Trizeps transferieren. Dies ermöglicht eine Stärkung der Schulter und Stabilisierung im Schultergelenk .Nachteil ist, dass die Streckkraft dadurch an Power verliert, was sich im Alltag allerdings kaum bemerkbar macht. Auch die Schulter verliert an Stabilität im Bereich wo der Teres Major und Latissimus Dorsi Muskel in die Achsel ziehen .

Transferiert man den Nerv des langen Kopfes des Trizeps übernimmt das Überköpfstrecken des Armes der mittlere Trizeps. Krafttechnisch habe ich dadurch 40% verloren. Zur Reaktivierung der Ellenbogenbeuger ist es sehr wichtig den Brachialis und den Bizeps zu neurotisieren. Dieser Doppelnervtransfer hat sich in den letzten Jahren als favorisiertes Verfahren bewährt. Man klaut dem Ulnaris ein bis zwei Faszikelgruppen und vernäht diese mit dem motorischen Ast des Bizeps. Das gleiche macht man mit dem Medianus und vernäht diesen mit dem motorischen Ast des Brachialis, dem eigentlichen Beuger des Oberarms. Durch dieses Verfahren habe ich ein wenig Handkraft verloren, welche aber in keinem Verhältnis zu  meiner gigantischen Beugekraft steht. Wurzelläsionen (Wurzelverletzungen) sind irreparabel, was jedoch nicht heißt, dass diese nicht operativ behandelbar sind. Der betroffene Arm wird nie wie früher ,man kann aber bei oberen Läsionen C5C6 gute funktionelle Ergebnisse erreichen. Eine gewisse Ästhetik kehrt zurück und der Arm hängt nicht mehr.

Auch ich bin ins Berufsleben zurück gekehrt und mache eine neue Ausbildung zum Automobilkaufmann vorher habe ich als Karosseriebauer gearbeitet. Ich bin jetzt wieder selbstständig muss mir keine Brötchen mehr schmieren lassen. Dinge mach ich wieder wie jeder andere. Was ich damit sagen möchte….. Es hat sich gelohnt meine ganze Kraft in den Arm zu investieren und der Lohn dafür ist, dass ich wieder am Alltag teilnehme. Jeden anderen möchte ich motivieren zu kämpfen und nicht aufzugeben. Es geht immer weiter! Einschränkungen bedeuten nicht, dass man die schönen Seiten des Lebens nicht mehr erfahren kann. Ich bin 22 und geh auch gern wieder mit meinen Freunden abends weg. Auch Plexus T-Shirts hab ich mir machen lassen. Geh ich abends weg trag ich diese mit Stolz mit dem Frontprint meines kaputten Motorrades welches der Grund für mein Schicksal ist. Demnächst werden auch Videos auf der Seite erscheinen die mich beim Training zeigen um Betroffene zu motivieren was durch Nerventransfer möglich ist!!! Vielen Dank an die leider wenigen  Freunde die mich in dieser schweren Zeit unterstützt haben und jetzt beim Training noch unterstützen.

Martin

Martin stellt sich gerne als Ansprechpartner für Betroffene zur Verfügung. Kontakt über martin@plexuskinder.de