Plexuskinder e.V. : Informationen, Ratschläge, Unterstützung für Menschen mit einer Plexusparese
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Steffen Lehmker bei der Para Ski-nordisch WM 2023

Plexuskind Steffen Lehmker ist Teil des deutschen Aufgebots für die Para Ski nordisch-WM 2023.

Am 21. Januar findet das erste Rennen der Para Ski nordisch-Weltmeisterschaften 2023 in Schweden statt. Zum elfköpfigen deutschen Team (vier Guides nicht mitgerechnet) gehört Steffen Lehmker aus Niedersachsen. Der Paralympics-Medaillengewinner von 2018 ist erst im Dezember nach fast dreijähriger Wettkampfpause ins Weltcup-Geschehen zurückgekehrt.

Weitere Informationen zum Team:

https://www.nordski.de

Weitere Informationen zur Weltmeisterschaft:

https://winterparasport.com

Nach fast dreijähriger berufs- und pandemiebedingter Wettkampfpause mischt Steffen Lehmker wieder im Para Ski nordisch-Weltgeschehen mit. Bei der WM 2023 in Östersund (Schweden) will der Paralympics-Medaillengewinner von 2018 aus Niedersachsen in vier Einzelrennen starten.

Der Hauptteil des Teams Deutschland Para Ski nordisch ist am Dienstag von Frankfurt am Main aus über Stockholm nach Östersund in der schwedischen Region Jämtland gereist, wo am kommenden Samstag das erste Rennen der Weltmeisterschaft im Para Skilanglauf und Para Biathlon 2023 über die Bühne gehen wird. Steffen Lehmker war nicht im Flieger. Der für den WSV Clausthal-Zellerfeld startende Athlet, der am vergangenen Sonntag seinen 34. Geburtstag feierte, saß zur gleichen Zeit in einer Zeugniskonferenz der BBS 1 Lüneburg, an der er seit zwei Jahren als Berufsschullehrer für die Fächer Wirtschaft und Sport arbeitet.

Erst am Freitag wird sich Lehmker auf die Reise gen Norden machen, wenn die letzten beruflichen Pflichten erfüllt und der Kopf frei ist für die Wettkämpfe. Kommenden Dienstag, beim Langlauf-Sprint, will er das erste Mal auf die Loipe gehen, danach sind noch drei weitere Einzelstarts geplant. Diese Jonglage mit den Bällen des Berufsalltags und denen des Leistungssports beschreibt sehr treffend die Herausforderungen, mit denen sich der in Bad Bevensen im Landkreis Uelzen beheimatete Lehmker konfrontiert sieht.

Sehnsucht Schnee

Früher war vieles einfacher. „Da konnte ich das Studium und den Alltag an den Sport anpassen“, sagt er. 2014 begann der frühere Fußballer und Marathonläufer, der von Geburt an eine Plexuslähmung am rechten Arm hat, mit Biathlon und Langlauf. Im Februar 2016 feierte er in Finsterau (Bayerischer Wald) sein Weltcup-Debüt, ein Jahr später folgte an selber Stelle die WM-Premiere. Inzwischen steht der Alltag in der Rangfolge notgedrungen vor dem Sport. Lehmker unterrichtet 18 Wochenstunden, etwa genauso viel Zeit investiert er in Vor- und Nachbereitung. Und daheim wartet die zweijährige Tochter. „Papa Arbeit“, sage die manchmal, wenn er sich zum Training umziehe, berichtet er lächelnd.

Vollzeit arbeiten, Zeit mit der Familie verbringen, der Leidenschaft Leistungssport frönen – das alles unter einen Hut zu bringen, ist komplex. „Es gibt Phasen, da komme ich mit dem, was ich mir vornehme, nicht hinterher.“ Zumal: Auf Schnee zu trainieren bedeutet für ihn als tief verwurzeltes Kind des Nordens die nächste Herausforderung. Das Para Ski nordisch-Bundesleistungszentrum im Schwarzwald ist knapp zehn Autostunden entfernt, die Skisporthalle im thüringischen Oberhof dreieinhalb – keine Distanzen für Tagesausflüge, geschweige denn fürs Feierabendtraining.

Statt mit Langlaufskiern sammelt Steffen Lehmker seine Trainingskilometer überwiegend mit Skirollern auf Asphalt. „Die Abläufe im Körper sind ähnlich. Wenn ich wieder auf Schnee bin, komme ich relativ gut rein in die Bewegung“, sagt er. Trotzdem bräuchten Sehnen und Bänder eine Weile für die Verarbeitung. Eins zu werden mit den Skiern und dem Untergrund, in ein wahrhaftiges Flow-Gefühl zu kommen, das klappt nicht von jetzt auf gleich. Umso mehr genoss Lehmker die Zeit beim Vorbereitungslehrgang in Toblach (Südtirol) Anfang des Jahres, nach dem der Bundestrainer Ralf Rombach feststellte: „Die Schneekilometer und die Komplexeinheiten haben Steffen gutgetan. Es lief bei ihm jeden Tag ein Stückchen besser.“ Allerdings: Aus dem Trainingslager musste Lehmker vorzeitig abreisen. Die Schulferien waren vorüber.

Der Geschmack sportlicher Emotionen

Aufgrund der beruflichen Belastung und weil pandemiebedingt viele Wettkämpfe ausfielen, pausierte Steffen Lehmker lange. Sein letzter Weltcup vor Corona war im Januar 2020 in Dresden, seine Rückkehr folgte erst im vergangenen Dezember im finnischen Vuokatti. Im Langlauf-Sprint wurde er Zwölfter und stellte fest, dass die Konkurrenz in seiner Abwesenheit nicht geschlafen hat. Zumal einige andere Nationen Profisportler ins Rennen schicken.

Diesen Umstand betont er zur Einordnung. Nicht – das ist ihm wichtig – um über ungleiche Bedingungen zu klagen. „Der Para Sport in Deutschland hätte mehr Beachtung verdient, damit die Menschen verstehen, wie viel Engagement hinter all dem steckt“, sagt er. „Aber ich bin dankbar für meine Lebensumstände, für die Förderungen und die Unterstützung.“ Der Behinderten-Sportverband Niedersachsen etwa verschaffte ihm ein Gewehr. „Es ist für mich ein Privileg, Biathlon machen zu können.“

Für die WM 2023 hat er sich vorgenommen, nach den Rennen mit sich selbst zufrieden zu sein. Weil er spürt, gezeigt zu haben, was in ihm steckt. Zudem hofft er, sich zum Abschluss der Wettkämpfe am 29. Januar einen Platz in der Staffel ergattern zu können. Mit ihr verbindet er das emotionalste Erlebnis seiner bisherigen Karriere. 2018 bei den Paralympics in PyeongChang (Südkorea) gewann er an der Seite von Andrea Eskau und Alexander Ehler (beide ebenfalls in Östersund dabei) Bronze im Mixed. „Unglaublich aufregend“ sei das gewesen. „Es kam für mich völlig unerwartet.“ Am Ende des Jahres wurde das Trio zur Para Mannschaft des Jahres gewählt. Und Steffen Lehmker wusste: Von diesen Momenten, die ihm der Leistungssport schenkt, will er noch mehr kosten. Komme was wolle.

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Steffen schickte diese Videobotschaft an die Teilnehmer des Jahrestreffens Plexuskinder e.V. 2018. Steffens Sportliches Highlight: Paralympics 2018 in PyeongChang – Bronze – Mixed Staffel 4x 2,5 km.

Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Steffen Lehmker

Steffen hat eine geburtstraumatische Plexusparese. Er war schon immer sehr ehrgeizig und hat viel Sport gemacht. Er hat vieles ausprobiert und als Fußballer und Marathonläufer sportliche Erfahrung gesammelt und lange nach „seiner“ Sportart gesucht.

„Wichtig ist es doch herauszufinden was man kann. Bau das auf und gib nicht auf, mess dich an dir selber so gut es geht und gehe deinen Weg.“

Seit 2016 nimmt er an nationalen und internationalen Wettkämpfen im Biathlon teil und ist Sportler im Nordic Paraski Team Deutschland.

Der Skisport war immer Teil des Familienurlaubs. Biathlon hat ihm einfach Spaß gemacht und er ist erst 2013 als „Nachwuchssportler“  in den Behindertensport eingestiegen. Alpin Ski betreibt er in der Freizeit.

Nach mehrere Operationen als Kind kann Steffen seinen betroffenen Arm gut beugen. Im Alltag hat er lediglich bei handwerklichen Dingen Probleme, die für ihn aber keine Einschränkung darstellen.

Steffen hat immer seinen Weg gesucht: „Ich konnte mit den „Normalen“ mithalten. Auch beim Sport habe ich keine Extrawurst gewollt. Handstand ging nicht, aber das ist ja nicht so tragisch.

Sein Motto vermittelt er auch seinen Schülern: „Pack es an so gut es geht, wenn nicht Frag um Hilfe.“

Steffens Eltern haben ihn ohne Zwang gefördert. „Natürlich ist das für Eltern schwer. Ich kenne es aber nicht anders. Bei uns wurde mein Arm nie als Problem gesehen und ich bin dankbar so wie es ist, und froh su gut integriert zu sein.“

„Meine Eltern wollten eigentlich, dass ich Klavier lerne, auch um die Feinmotorik zu trainieren, aber dazu hatte ich keine Lust. Seit seiner Jugend spielt er Schlagzeug und war viele Jahre in einer erfolgreichen Band. „Die sind inzwischen nach Amerika ausgewandert und recht bekannt (die Band heisst DenManTau), ich habe mich gegen die Profikarriere als Musiker und für ein bodenständigeres Leben in Deutschland entschieden.“

Er studiert Sport und Wirtschaft, auf Lehramt für die Berufsschule, seine Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dem Thema Inklusion im Sportunterricht.

„Natürlich kamen für mich bei der Berufswahl, einige Berufe von Anfang an nicht in Frage. Als Berufsschullehrer war mein Handicap nie ein Problem.“

Beziehung waren für ihn nie ein Thema. „Sobald du etwas gut kannst, macht dich das selbstbewusst und dann klappt es auch eher mit den Mädels. Unser Schülerband war schon früh recht erfolgreich, wir hatte viele Auftritte und dadurch auch einen guter Draht zu Mädels. Er hat seine Jugendliebe geheiratet.

„Ich glaube jeder ist total unterschiedlich, man sollte nicht alle in eine Schublade packen. Wichtig ist es doch herauszufinden was man kann. Bau das auf und gib nicht auf, mess dich an dir selber so gut es geht und gehe deinen Weg.“